strich draht papier, Kunstraum Konradstrasse, Teil der Installation
strich draht papier, Kunstraum Konradstrasse, Teil der Installation
strich draht papier, Kunstraum Konradstrasse
Papier, Draht, Bleistift,1996

Die Installation strich draht papier entstand vor Ort auf den Raum bezogen. Mit minimalen Mitteln wird die lichtgesättigte Räumlichkeit und die Materialität des Raumes interpretiert:

Mit Bleistift, halbtransparentem Papier und Draht. Der Betrachter wird im Raum von Station zu Station geführt, von Entdeckung zu Entdeckung. Ein horizontaler Bleistiftstrich auf der Wand geht zum Beispiel über in eine Zeichnung aus Draht, welche zugleich als Befestigung für die Bahnen aus halbtransparentem Papier dient, die vor die beiden Nordfenster gespannt sind. Ein lockeres Netz von vertikalen Linien überzieht die halbtransparente Fläche, von hinten durch das Tageslicht illuminiert und in der Mitte, wo die Fensterflügel sich treffen, schattiert.

Und plötzlich wird aus dem Schattenfugenmuster eine Zeichnung. das Licht erzeugt eine fein schimmernde Transparenz auf den vor die Fenster gehängten Papierrollen, welche Wand und Boden, Vertikale und Horizontale miteinander verbinden. Auf dem halbtransparenten Papier erzeugen Lichteinfall und Schattenwurf des Raumes oder der Fenster zusammen mit dem Liniengeflecht ein Spiel von suggestiver Sinnlichkeit. Minimal und konzentriert der Aufwand, die Wirkung poetisch und suggestiv.

Oben: Drei Ausschnitte der Installation strich, draht und papier von der Fensterseite des Raumes

Olaf Knellessen

 

Zur Rauminstallation Strich, Draht, Papier

Kunstraum Konradstrasse, 02.03. – 23.03.1996

 

Schon ganz zu Beginn ihres Malens stellte sich Claudia Maria Lehner dem Problem des Raumes. Das Bild mit dem sie zu ihrer ersten Einzelausstellung einlud, zeigte die Malerin niederkauernd in einem Karree, das von einem Massstab gebildet wurde. Welchen Raum öffnet oder schliesst die Malerei? Wie ist er zu bilden? Wo und wie ist die Malerin darin situiert? Es schien als machte sich Claudia Maria Lehner daran, diesen Raum zu vermessen.

Und sie macht sich dran, den Raum auf ihrer Leinwand zu bilden: nicht darzustellen und nicht abzubilden, sondern ihn entstehen zu lassen von Farben, die Höhen und Tiefen haben; ihn mit Licht zu erleuchten oder zu verdunkeln; ihn aus dem Rhythmus des Malens und der Pinselstriche erscheinen zu lassen; ihn aus Strukturen und Reihen zu formen und ihm im Verhältnis der Gegenstände nachzugehen, darin, wie diese zueinander stehen.

Und ist nicht in jedem Bild schon von vorneherein ein zentrales Verhältnis eingeschlossen? Das des Blickes, des Blickes des Anderen, was schon den Blick selbst als Raum zum Anderen verstehen lässt?

Immer wieder also diese Frage: Wie entsteht der Raum, was ist der Raum, was macht ihn aus? In einer frühen Zeichnung eines Stuhls ist dieser ein Bündel von Strichen und Linien, ist aus Vektoren, die verschiedene Richtungen weisen, Dimensionen markieren. Er steht nicht im Raum, er macht ihn und bildet ihn als Rest, als Negation dieser Kraftlinien.

Der Strich, so schien schon dieser Stuhl zu zeigen, macht, ganz so wie hier in dieser Tür, wo er übergeht in Draht, der Strich öffnet einen Raum – was man freilich und nicht von ungefähr erst merkt, wenn man schon drinnen ist. Er trennt das Eine vom Andern, setzt Dimension. Die Trennung ist Verletzung, wird eine Naht, die sich zum Raum erhebt. Der Strich ist Schnitt, öffnet den Raum. Er teilt ihn in ein vorn und hinten, oben und unten, links und rechts, verteilt Gewichte und spannt sie auf. So wird der Strich zum Draht und das Papier entrollt. Mit dem Strich, der zum Draht wird, materialisiert sich das Bild und konstruiert den Raum. Mit einem Bild, das Claudia Maria Lehner kürzlich gemalt hat, könnte man sagen, dass diese Konstruktionen „Wolken von Bildern“ sind.

Die Teilungen des Raums, die ihn aufspannen, die Verläufe der Striche, Drähte und Nähte, die ihn durchziehen und durchschneiden, sich verdichten und Weite geben, werden zu Rhythmen und die Gewichtungen der Höhen und der Tiefen werden zum Klang. Im Durchschreiten des Raumes medialisiert sich die Malerei zur Kunst, wird der Raum der Malerei zum Kunstraum.

 

Olaf Knellessen, Zürich 1996

strich draht papierkunstraum konradstrasse, Teil der Installation ausserhalb des kunstraumes, im Büro der benachbarten Architekten